Die 102 gesetzlichen Krankenkassen haben im 1. bis 3. Quartal 2021 insgesamt ein Defizit von knapp 3,2 Mrd. Euro gebucht. Hierbei ist berücksichtigt, dass die Krankenkassen in diesem Zeitraum rund 6 Mrd. Euro ihrer Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abgeführt haben. Die Finanzreserven der Krankenkassen lagen zum Stichtag 30. September bei 13,6 Mrd. Euro. Dies entspricht 0,58 Monatsausgaben und damit im Durchschnitt in etwa dem Dreifachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve. Der Gesundheitsfonds erzielte in den Monaten von Januar bis September ein saisonübliches Defizit von 2,0 Mrd. Euro.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Die Zahlen zeigen: Die Pandemie hinterlässt immer deutlichere Spuren bei den Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen. Deshalb greifen wir der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem und im nächsten Jahr durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss unter die Arme. So verteilen wir die Lasten fairer auf verschiedene Schultern. Stabile Lohnnebenkosten sind in diesen schwierigen Zeiten ein gutes und richtiges Signal an Beitragszahler und Arbeitgeber.“

Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 208,0 Mrd. Euro standen im 1. bis 3. Quartal Ausgaben von rund 211,2 Mrd. Euro gegenüber. Die Einnahmen der Krankenkassen, die sie in erster Linie durch vorab festgelegte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, sind um 6,9 Prozent gestiegen. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten einen Zuwachs von 4,8 Prozent. Diese Entwicklung liegt unterhalb dessen, was der GKV-Schätzerkreis für das Gesamtjahr 2021 erwartet (5,7 Prozent). Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz liegt seit Anfang des Jahres stabil bei 1,28 Prozent.

Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten

Mit Ausnahme der Ersatzkassen und der landwirtschaftlichen Krankenversicherung, die einen Überschuss von rund 70 bzw. knapp 30 Mio. Euro erzielten, verbuchten alle anderen Krankenkassenarten im 1. bis 3. Quartal Defizite: die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) erzielten ein Minus von 2,7 Mrd. Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 344 Mio. Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 207 Mio. Euro und die Knappschaft von knapp 23 Mio. Euro.

In dieser Heterogenität der Finanzergebnisse spiegeln sich auch die unterschiedliche Verteilung der Finanzreserven der einzelnen Krankenkassen als Maßstab für die Vermögensabführung an den Gesundheitsfonds wider. Von den rund 6 Mrd. Euro, die dem Gesundheitsfonds von allen gesetzlichen Krankenkassen im 1.-3. Quartal zugeführt und als Zuweisungen wieder an die Krankenkassen ausgezahlt wurden, haben die AOKen etwa 3,2 Mrd. Euro, die Ersatzkassen etwa 1,7 Mrd. Euro, die Betriebskrankenkassen rund 590 Mio. Euro, die Innungskrankenkassen 360 Mio. Euro und die Knappschaft rund 140 Mio. Euro aufgebracht.

Ergebnis des Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2021 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 5,9 Mrd. Euro verfügte, verzeichnete im 1. bis 3. Quartal 2021 ein Defizit von rund 2,0 Mrd. Euro. Dieses Defizit entspricht in etwa dem Niveau der vergangenen Jahre, wenn Corona-Sondereffekte wie insbesondere die Zahlung des ergänzenden Bundeszuschusses zu Beginn des Jahres berücksichtigt werden, und ist auf die üblichen saisonalen Effekte zurück zu führen.

Für pandemiebedingte Aufwendungen wie beispielsweise Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser, Testen, Impfen oder auch Schutzmasken wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bis Ende September insgesamt rund 15,3 Mrd. Euro ausgezahlt. Davon hat der Bund im 1. bis 3. Quartal rund 15,0 Mrd. Euro an den Gesundheitsfonds erstattet.

Der Zuwachs der Beitragseinnahmen blieb mit 3,0 Prozent weiterhin hinter den Veränderungsraten der Vorkrisenjahre mit durchschnittlich über vier Prozent zurück.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Bei den Krankenkassen gab es im 1. bis 3. Quartal einen absoluten Ausgabenzuwachs für Leistungen und Verwaltungskosten von 4,8 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um 5,1 Prozent, bei den Verwaltungskosten gab es einen Rückgang um 1,2 Prozent.

Bei der Betrachtung der einzelnen Quartale ist seit dem Beginn der Pandemie eine deutliche wellenförmige Ausgabenentwicklung festzustellen. Hierbei spielen insbesondere Lockdowns und Nachholeffekte eine bedeutende Rolle.

Bei der Interpretation der Daten des 1. bis 3. Quartal ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen von Schätzverpflichtungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Diese Unsicherheiten gelten insbesondere im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung sowie im Krankenhausbereich.

Ausgabenentwicklung in einzelnen Leistungsbereichen

Nach einer deutlichen Ausgabensteigerung im 2. Quartal ist es im 3. Quartal im Zuge einer Normalisierung des Leistungsgeschehens zu einer deutlich abgeflachten Ausgabenentwicklung gekommen.

Im Bereich der ärztlichen Behandlung kam es zu einem Ausgabenanstieg von 1,8 Prozent, nachdem im 1. Halbjahr der Anstieg noch 6,8 Prozent betragen hatte. Dies dürfte auch auf das Korrekturverfahren zur Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung aus dem Terminservice‐und Versorgungsgesetz zurückzuführen sein. Da für das 2. und 3. Quartal noch keinerlei Abrechnungsdaten der Ärzte vorliegen, sind diese Veränderungsraten jedoch noch sehr unsicher und in hohem Maße von Einschätzungen der Krankenkassen geprägt.

Auch bei den Krankenhausausgaben, die im 1. Halbjahr noch um 5,7 Prozent gestiegen sind, verbuchten die Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal wieder einen deutlich geringeren Anstieg von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser bis Ende September rund 5,1 Mrd. Euro aus Steuermitteln für freigehaltene Betten erhielten.

Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen im 1. bis 3. Quartal um 6,2 Prozent nach 4,1 Prozent im ersten Halbjahr. Hier haben sich die Ausgabenzuwächse im Jahresverlauf bei einer weiterhin dynamischen Strukturkomponente wieder erhöht. Dies ist auch durch die zu Jahresbeginn erfolgte Beendigung der temporären Mehrwertsteuer-Absenkung bedingt, die zu höheren Veränderungsraten in der zweiten Jahreshälfte führt.

Bei den Krankengeldausgaben, die einen Anstieg von 3,1 Prozent verzeichneten, ist das hohe Ausgabenniveau im Vorjahreszeitraum (+12,0 Prozent) zu berücksichtigen.

Die Veränderungsrate der Verwaltungskosten der Krankenkassen liegt mit -1,3 Prozent deutlich unterhalb des Steigerungswertes der Leistungsausgaben. Hier ist jedoch der über der Entwicklung der Leistungsausgaben liegende Anstieg von 5,8 Prozent im Vorjahreszeitraum zu berücksichtigen. Der Rückgang der Verwaltungskosten im laufenden Jahr resultiert vor allem aus geringeren Alterungsrückstellungen.

Weitere Entwicklung

Die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2021 werden Anfang März 2022 vorliegen. Die gegenwärtig beobachtete deutliche Steigerung der Corona-Fallzahlen im Laufe des letzten Quartals und die zunehmende Hospitalisierung und Belegung der Intensivstationen durch COVID-19-Patientinnen und Patienten dürfte wieder zu einer Verschiebung von planbaren Operationen in den Krankenhäusern und damit auch zu einer weiteren Abflachung der von den Krankenkassen zu zahlenden Krankenhausausgaben führen. Dabei werden entsprechende Ausgleichszahlungen für die Krankenhäuser vom Bund und nicht von den Krankenkassen finanziert.

Mit der durch das neue Parlament im November verabschiedeten Bundeszuschussverordnung 2022 wurden die Voraussetzungen für eine stabile Finanzierungsgrundlage der GKV auch im kommenden Jahr geschaffen. Zusätzlich zu den jährlichen 14,5 Mrd. Euro aus Steuermitteln erhalten die Krankenkassen im kommenden Jahr einen ergänzenden Bundeszuschuss in Höhe von 14 Milliarden Euro. Damit kann der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz mit 1,3 Prozent auch im Jahr 2022 stabil bleiben und die Krankenkassen erhalten rechtzeitig verlässliche Kalkulationsgrundlagen für ihre Haushaltsbeschlüsse.

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